Mr. Noth
Wegen irgendeinem Thema kamen wir zu einem anderen, über das wir auf die Schwangerschaften zu sprechen kamen.. Ein Scheiß! Es ist absurd, dass sie und ich schwanger von ihm waren und es jetzt nicht mehr sind.. Dieser Gedanke ist immer präsent, wenn das Thema aufkommt.. Dieses Mal jedoch fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen.. Dieser eine Gedanke; unser Kind wäre schon längst geboren.. Mit diesen sechs Worten brach Chaos in mir aus.. Ich versank in Depressionen.. In einem Strudel voller tiefer Trauer, stummem Selbstmitleid und des Lebens müde, klackte sein Gehstock auf dem Fußboden, als er mit gemächlichen Schritten und einem Pfeifen auf den Lippen näher kam, mich um meine Hand und den nächsten Tanz bat.. Mr. Noth.
Ich schrie, ich flehte, ich bat und bettelte.. Ich wollte, dass dieser Alptraum ein Ende haben möge und wenn dies bedeutete, dass er seinen Willen bekam und sein triumphales Grinsen mir ins Gesicht schlägt, dann sollte dem so sein.. Die Wahnvorstellungen, die Vorwürfe, dieses Netz aus schlechtem Gewissen, dass ich den Geburtstermin unseres verstorbenen Kindes verpasst habe, quälte mich mehr, als die blutigen Striemen auf der blassen Haut, den gesplitterten Knochen und dem ständigen metall’nen Geschmack von Blut im Mund, der von inneren Verletzungen zeugte.. Seelische Grausamkeit ist so viel schwerer zu ertragen als körperlicher Schmerz.. und sie hinterlässt viel tiefere Wunden, viel größere Narben, die scheint’s nie verheilen mögen..
Irgendwann ließ er ab.. Vielleicht aus Langeweile, vielleicht, um mich meiner Erholung zuzuführen, um mich im passenden Moment wieder abzuholen.. Es ist mir gleich.. Aus dem tiefen Morast schoss meine vor Schmutz starrende Hand hinaus und im selben Augenblick legten sich die eisigen Finger meiner Schattenseele um mein Handgelenk und zogen mich heraus.. Ein Atemzug, ein Röcheln, ein Blut spuckender Husten und ein Zittern, ob der Kälte ihrer Umarmung und doch ein kurzer Augenblick voller Erleichterung..
Das ist zwei Wochen her und ich knabbere noch heute daran wie an einem kahlen Knochen.. Ich habe Träume, ich leide unter den Erinnerungen an seine leisen Worte, die durch mein Hirn hallen und sich mit jedem Adjektiv dort festgeklammert haben wie eine Schar bösartiger Äffchen..
Ich fühle mich wie ein Puzzle aus 34.628 Teilen, die alle in eine andere Richtung driften.. Ich drohe zu Zerreißen wie dünnes Pergament und der Wahnsinn zeichnet seine Spuren in meinen Blick.. Einfach weiter atmen.. Leben ist so viel schwieriger als Sterben.. Aufstehen ist so viel härter als in die Knie zu gehen..
Ich schließe die Augen, balle die zitternden Finger zu Fäusten und haue den schreienden Äffchen mächtig eins auf die Fresse..
schreibwut am 18. Oktober 18
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"Leben ist so viel schwieriger als Sterben..."
Dito. Deswegen ist die Angst vor dem Tod eigentlich auch unsinniger als die Angst vor dem Leben...
Fühl dich gedrückt.