Bescheidenheit ist für die Schwachen
Fuck, ja.. Ich sollte mit meinem Leben zufrieden sein.. Ich habe einen tollen Mann, der mir treut ergeben ist - denke ich - und der mich über alles liebt - denke ich. Wir haben einen Sohn, auf den ich unheimlich stolz bin und unendlich dankbar, dass er gesund und glücklich ist.. Wir ziehen in unser dekadentes, völlig überteuertes Haus auf unserem großen Grundstück und unsere größten Sorgen sind das Umzugschaos und ob die mehreren tausend Euro, die man trotz Neubau noch immer hat, noch für den Zaun reichen.. Ich habe einen entspannten, überzahlten Job mit tollen Kollegen, ein Auto unterm Hintern und bis auf die Million im Lotto alles Glück, was man sich wünschen kann..

Und ich bin unglücklich..
Ich bin so unglaublich unglücklich..

Ich bin unglücklich, weil mein Leben nicht mein Leben ist. Ich bin unglücklich, weil der Mann, dem mein Herz gehört, den ich liebe und zu dem ich immer wieder zurück kam, den ich einen Moment lang endlich genießen konnte, nicht bei mir ist..

Side by Side..

Die Kehrseite der Medaille beinhaltet mein Ich.. Ihn, mich, mein Leben, meine wahren Gedanken, mein Seelenspektakel, mein zerschrobenes, selbstzerstörerisches, melancholisches Ich..

Als ich wieder kam, kam ich für meinen Sohn.. Ich war Mutter, Hausfrau, Melkmaschine, Kleinstadtmütterchen.. und innerlich tot.. ausgefüllt von dieser Leere, die mich jetzt wieder in ihren Klauen hält.

Mit ihm war ich wieder lebendig.. Ich war ich.. Ich war so erfüllt von Leben, von ihm und mir.. Ich färbte mir die Haare pink, ließ mich endlich tätowieren, ließ mir für ihn und mich längst überfällige Leberflecke und Narbenüberschüsse entfernen.. Ich konnte endlich wieder atmen, denn ich hatte ihn.. Wir lachten, wir weinten, wir schliefen miteinander, wir hielten uns in den Armen, wir liebten uns in den wenigen Stunden, die wir füreinander hatten..

Dass ich ein Kind von ihm erwartete, war wie ein Faustschlag und ein Kuss.. Es klang nach Entscheidung.. Es mutete an, als würden wir jetzt uns durchringen müssen unsere handgefertigten, gesellschaftlich konformen Leben, wie wir sie gehegt und gepflegt hatten, in Schutt und Asche zu legen und ein gemeinsames, echtes, wahrhaftiges Leben zu führen, das aus Träumen, Liebe und Sehnsucht entstehen würde.. Und ich war bereit..

Jetzt puste ich mir das verblichene pink aus der Stirn und versuche mir einzureden, dass es so, wie es jetzt gelaufen ist, besser ist für ihn und mich.. Wir sind in unseren Leben fest verankert, nichts von uns drang an ihre Ohren und alle gesäten Zweifel wurden mittlerweile wieder ausradiert.. Ich versuche mir einzureden, dass es vom Schicksal nie beabsichtigt war, dass unser Kind das Licht der Welt erblicken würde, dass es nicht der Zwist, Harder, Verzweiflung und drohende Dunkelheit war, die dazu führte, dass ich unsere Tochter verlor..

Es gelingt mir nicht..

Ich will mehr.. Ich will ihn, ich will unsere Tochter, ich will alles und noch mehr.. Ich will das Leben in den Fingerspitzen fühlen, ich will ihn in meinem Bett in meinem Haus haben mit unseren Kindern.. selbst wenn es Momente gibt, in denen ich resigniere und mich meinem Schicksal ergebe, bin ich zu stark, zu stur und willensstark als mich mit weniger zufrieden zu geben, als ich will..

Natürlich ist es dumm.. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir, wenn wir uns dann gehabt hätten, wenn wir alles andere aufgegeben hätten, uns an die Gurgel gesprungen wären.. Es wäre möglicherweise ein Untergang gewesen, aber nach dieser Prämisse... ganz ehrlich.. dann wäre ein Fußtritt aus der Haustür schon zu viel.. Ich wusste nicht, ob mein Tattoo geil sein würde, das erfuhr ich erst als ich es ausprobierte.. Ich wusste nicht, ob mir pink stehen würde, ich wusste erst wie hammer ich aussehe, als ich in den Spiegel sah.. Und fuck, selbst wenn es der Untergang gewesen wäre.. Der Weg bis dahin wäre alles gewesen, wonach es sich zu streben lohnt.. und vielleicht hätten wir erfahren, dass wir bis an unser Lebensende zusammen sein würden, bis dass der Tod uns scheidet.. Wir hätten möglicherweise neben unseren Jungs noch eine Tochter bekommen, vielleicht hätte ich mich dazu herab gelassen, den Mann vor dem Gesetz und Gott zu meinem Besitz und Eigentum zu erklären, um vor Allem und Jedem klarzustellen, dass er mir gehört.. Möglicherweise hätten wir uns einen Hund angeschafft und vielleicht wäre das, worauf wir seit dem wir Kids waren, zugesteuert sind, genau das gewesen, was uns endlich befreit..

Maybe..
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