Mittwoch, 4. September 2019
er. er. er. er. Herr Gott, gibts noch was anderes?
Zunächst verstand er die Aufregung nicht. Er hätte mich betrogen, er hätte uns betrogen, war für ihn nicht verständlich.. Weil er mit ihr geschlafen habe? Nein, wegen dem wann, dem wo und dem wie.. Das würde ja kein Unterschied machen.. Das.würde.keinen.Unterschied.machen?! Unter normalen Umständen hätte ich ihm diese Worte mit Gift versetzt entgegen gespeit. So jedoch kam ein „warte“ und ich zitierte ihm den essentiellen Teil meines Eintrages dazu. Unter diesen Umständen könnte er durchaus nachvollziehen, dass ich es persönlich nehmen würde.. Ihm fehlten die Worte, natürlich hatte er mit seinen klaren, wunderschönen blauen Augen, die jedermann so kalt anblicken, so weit nicht geblickt..

Ich frage nach dem „Warum..“ Ein hilfloser Versuch eines jeden Menschen, nach dem „warum“ zu fragen, wenn man einfach die Welt nicht mehr versteht.

Normalerweise führt der Satz „Es ist einfach so passiert“ nicht dazu, dass die Welt wieder ein wenig heller wird. Dem Grunde nach ist diese Möchtegern-Rechtfertigung nur ein weiterer Grund für den Betroffenen das Beil tiefer in den Schädel zu rammen.. Er paart es mit einer Entschuldigung. Es hätte nichts mit mir zu tun oder den Umständen.. Es hätte sonst wo passieren können.. Sie habe ihn unvorbereitet erwischt.. Ein leises Schnauben ist zu vernehmen.. Er hat es gewollt, stelle ich fest. Er hat es gewollt, weil es sonst nicht so gelaufen wäre. Er hat es gewollt, wo er es nicht hätte wollen sollen. Er hätte „nein“ sagen müssen.. Die Tatsache, dass er daraufhin erwiderte, dass das was er wollte war sie kaputt zu machen.. Weil er wütend war, wütend, weil sie ankam, wütend, weil sein Körper sofort reagiert hat und dass er sich an ihr abreagiert hat, ist eine Rechtfertigung, die in meiner Welt einen gemeinhin großen, völlig schrägen, zerstörerischen Stellenwert hat. Per sofort bin ich etwas versöhnlicher.. Dass sie gekommen ist, blende ich geschickt aus. In meiner Welt fügte er ihr dabei Schmerzen zu und bestrafte sie für diese unglaubliche Frechheit sich einfach zwischen uns zu drängen. Mit dieser Begründung hätte er sie auch in die Bewusstlosigkeit ficken dürfen.

Er hätte auch nach der Sache mit ihr nicht mit mir geschlafen. Er bereue auch kein bisschen, dass er die Gelegenheit dazu jetzt nie wieder bekäme. Bitte was?! Ich lese den Satz fünf Mal aber die Bedeutung verändert sich nicht, egal wie oft sich etwas versuche zwischen den Zeilen zu lesen, wo sich einfach schlicht und ergreifend nichts befindet. Entgegen meiner Annahme und dass es manchmal so wirke, wäre er nicht meines Körpers wegen hinter mir her gewesen und wenn es so sein soll, dass er nie wieder mit mir schlafen könne, dann kann er das akzeptieren aber mich nicht mehr in seinem Leben zu haben sei die Quelle seiner Reue und gäbe ihm das Gefühl er würde ersticken. – Zugegeben, mit Worten kann er.

Ich unterstelle ein Stück weit Kalkül in seinen Worten, eine präzise Setzung von Worten, die eine gewünschte Reaktion bewirken sollen.. Vielleicht, weil ich es so machen würde, vielleicht weil ich manchmal nicht aus meiner Haut kann und ihm unterstelle noch ein schlechterer Mensch zu sein als ich.. Nur die Tatsache, dass sich diese Vermutungen nie bestätigt haben bzw. eindrucksvoll und nachhaltig negiert worden sind, lässt mich von diesem Gedankenstreifen abweichen..

Dass ich ihn jetzt hassen würde, würde ihn nachts wach halten.
- Ja, richtig so, von mir aus schläft er nie wieder in seinem Leben den Schlaf der Seligen.

Nachdem er mir einige Sätze, dieses Mal durchaus bewusst platziert, zur Verfügung stellt, immer wieder, immer zwischen durch, stelle ich fest, dass er Depressionen hat. Ohne, dass ich etwas dagegen tun könnte und wenn man es bildlich darstellen möchte, würde es sich so darstellen, dass ich in einer Zeitlupenaufnahme gepaart mit einem „Neeeeeeiiiiinnnn!“ auf einen Schalter zu hechte, jedoch zu spät bin oder aber im lustigeren Fall gute 20 cm davor einfach auf den Boden klatsche, legt sich eben dieser besagte Schalter um. Ich will für ihn da sein. Ich will ihn beschützen, ich bin die einzige, die das kann – gleichzeitig möchte ich bei meinen eigenen Gedanken kotzen.

Ich will ihm helfen. Er will kein Hilfe. Jedenfalls nicht von mir. Dann müsste er mir nah sein und das möchte er nicht.
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Alle halten die obligatorische „Das-muss-das-Hirn-erst-verarbeiten-Sekunde“ den Atem an, ehe ein einstimmiges „wow.“ zu hören ist. Natürlich verletzen mich die Worte abermals aber ich bin viel zu sehr in meinem Helfer-Syndrom und meiner Mutter-Theresa-Rolle gefangen, als dass es groß etwas ausmachen würde.. Er würde den Autopiloten genießen.. Ohje, das ist schlecht.

Das davor.. Dass ich ihn hab auch glauben lassen ich hätte längstens und per sofort schon wieder 3 neue Männer oder auch Frauen an der Hand, dass wir plötzlich wieder Kontakt haben, die Gefühle, die das alles in ihm auslösen; Gewissensbisse, Schuldgefühle, Verzweiflung, das alles fällt plötzlich von ihm ab, hinter diesen mir so wohl bekannten Schleier. Verschoben und verrückt von einem Schleier vor einer Mauer, die sich unermüdlich vor die Emotionen in Windeseile empor hebt, um den Geist vor sich selbst zu schützen.. Ich kenne das so gut.. Ich bin überrascht, dass er sie mir gegenüber aufbaut aber warum? Mir sollte klar sein, dass ich die Einzige bin, die es schafft diese Mauer überhaupt entstehen zu lassen.

Und zurück bleibt ein rationaler Mensch, der sich erleichtert zurück lehnt, kurz einmal durchatmen kann und dem alles egal wird. Es ist mithin das erste Mal, dass ich auf der anderen Seite dieser Mauer stehe, dass ich der Feind bin, der abgehalten werden muss, näher zu kommen. Ich sehe an dieser Mauer empor, lege die Hand über die Augen, schnalze mit der Zunge und ziehe direkten Schrittes ab. Eine Mauer benötigt harte Mittel, um sie einzureißen. Gott sei Dank bin ich bis an die Zähne bewaffnet.. Nicht, dass er es verdient hätte – weiß Gott nicht – aber ich liebe ihn, so sehr ich ihn auch hasse.