einatmen. ausatmen.
Die Sonne scheint. Ich sitze mit meinem Kaffee in einem viel zu kalten Raum und genieße die Stille. Das leise Surren des Rechners, das Schaben von Krallen und das Raunen meiner Dämonen sind wie ein Menuett an diesem Tag und es wird nur unterbrochen von meinen lauten Gedanken. Ich atme. Einatmen. Ausatmen. Ich versuchs.

Ich hole wieder tief Luft und wieder sind da diese riesigen, unnachgiebigen Pranken, die meine Rippen zusammen drücken. Ich atme. Einatmen. Ausatmen. Ich scheitere.

ER ist zurück. In meinen Gedanken, in meinem Körper, in meinem Herzen - und in echt. Zwei Jahre sind vergangen und alle Narben sind zu klaffenden Wunden aufgeplatzt wie Popcorn.

ER weiß, dass jedes seiner Worte mich erreicht, mich berührt und verführt. ER weiß - vermutlich als einziger auf der Welt - was das geschriebene Wort für mich bedeutet. Jeder Buchstabe, den er schreibt, streicht zart über meine Haut, ehe er sich dort hinein gräbt und durch mein Fleisch wühlt..

Ich glaube ihm, manchmal lächle ich sogar, obgleich ich ihm das nie gestehen würde. Kleine Sätze macht mein verkümmertes Herz bei seinen liebevollen Worten, nach denen ich mich lange Zeit so sehnte und alles in mir schreit, dass ich diese Worte mein Leben lang immer wieder und wieder hören möchte. Auf Repeat bis zum fucking Ende.

Dieser Zustand der Euphorie und Zuneigung hält zwanzig bis dreißig Minuten, ehe sich mein Verstand einschaltet und mit 120 km/h die Erinnerungen durch meine verstaubten Gehirnwindungen pustet, mitsamt dem Leid. Der Schmerz raubt mir den Atem und mein Lächeln friert ein, ehe es zur Hölle geht.

Nach zwei Jahren wird mir erst so richtig bewusst was ER angerichtet hat. Ich kann ihm das nicht glauben. So sehr ich es mir wünsche, nähren sich die Zweifel an Vergangenem. Ich kann ihm nicht glauben. Ich kann ihm nicht mehr vertrauen - ihm.. der Liebe meines Lebens, meinem zu Hause, meinem verlorenen Seelenteil.

Vielleicht liegt es daran, dass ER der einzige ist, der mich kennt, der mich wirklich kennt. Er weiß einfach alles. Er hält mich in der Hand wie Butter - zunächst steinhart und arschkalt.. binnen weniger Minuten geschmolzen und im Dreck auf dem Boden liegend.

Ich sitze - wie er - am Abgrund und baumel mit den Beinen. Ich war überzeugt diejenige zu sein, die sich lachend abstößt und hinab schmeißt aber die Angst, die Angst vor ihm und vor dem was er mir wieder antun könnte, lässt mich die Finger in die Erde graben - kurz vor Flucht. Ich hab es die letzten Jahre nicht so empfunden aber jetzt, jetzt kriecht mir die nackte Panik ins Genick.. Allein der Gedanke mich ihm wieder hinzugeben, mich einzulassen lässt mich kaum noch atmen. Ich hätte nie gedacht, dass ich Angst haben könnte. Angst vor ihm.

Denn ich weiß; ich überlebe das kein zweites Mal.
Einatmen.
Ausatmen.