düsternis in dunklen Gedanken.
Ich fahre durch die vergessenen von überteuerten Neubauten überschatteten Straßen Berlins. Mein schönes Berlin. Mein hässliches Berlin. In einer Stunde Fahrt kann man unzählige Facette aufsaugen.. man tuschiert modernste, nachhaltigste, exklusivste Gebäude, fährt an riesigen Parkanlagen vorbei, in Straßen, die keinen einzigen Baum oder Strauch zur Auflockerung mehr haben, mit dem beklemmenden Gefühl das Fahrzeug schmilzt in den Teer oder man wird von massiven, bedrohlichen Steinmonstern zerdrückt..

Diese Eigenschaften von Berlin nimmt der Berliner zumeist überhaupt nicht mehr wahr, stolpert barfuß durch die von Müll und Dreck stinkenden Straßen.. als Randberlinerin hingegen, die die Wege meistens nicht mehr zentral führen, glitt mein nachdenklicher Blick häufiger umher, sog mein verwirrtes Gedankengut neuen Stoff gierig ins Hirn..

Mein Augenmerk fällt vermehrt auf die alten, grauen, hässlichen, dreckigen Ecken, die es zu Hauf gibt.. Vielleicht erinnern sie mich sehr an mich selbst..

Ein Mann steht rauchend auf seinem nackten Balkon, hinter ihm Fenster mit schief sitzenden, vergilbten Spitzengardinen. Er sieht genauso verbraucht, zermartert und zerrüttet aus wie der vergraute und von Stockflecken zerfressene, wunderschöne, nostalgische Altbau..

Ich hätte fast angehalten und ein Foto gemacht..

Am Telefon eine Freundin, weinend.. Brustkrebs mit Ausstreuung in das Lymphdrüsensystem. Mann und drei Kinder, nur Streit, nur Leben, nur Hass und Turbulenz. Jetzt bringt sie die Erkrankung wieder zusammen, sie rücken aneinander, Rücken an Rücken, stützen und halten sich gegenseitig. Die Behandlung wird alles abverlangen aber nichts scheint mehr so zerbrechlich wie vor dem Krebs..

Meine Gedanken schweifen ab bei ihrem stetigen Schluchzen.. Meine Untersuchung steht aus, sie steht so lange aus, wie ich es für richtig halte.. Ein kurzer Abzweig, unkompliziert.. ein Termin machen, unkompliziert.. Aber ich habe keine Kraft für das Ergebnis.. Absurderweise auch keine für ein gutes..

Ein schlechtes Ergebnis; was würde das bewirken? Würde es mich erden und ich würde mich besinnen wie gut mein Leben bisher war? Würde ich ranrücken oder würde ich fortlaufen?

Ein gutes Ergebnis; würde ich feststellen, ich hätte die Kurve bekommen und fortlaufen? Würde ich feststellen das Murphy mir eine Chance einräumt und ich würde mich in Bescheidenheit und Dankbarkeit wähnen für das Leben was ich hab?

Jeder Schmerz im Hirn, jeder Schwindel, jede Wortfindungsstörung, jedes Zucken hinter dem Lid, jedes vergessene Wort oder jedes Kribbeln unter der Schädeldecke ermahnt mich dringend den Arsch hochzukriegen.. An den Tagen, an denen ich mich an alles erinnern kann und ganze Sätze ausformulieren kann, bestrebt die Euphorie sich mir ins Ohr zu brüllen "Es ist ALLES in Ordnung!"

In leisen, düsteren Momenten denke ich mir; es wird zu spät sein.. für was auch immer.