Donnerstag, 16. August 2018
ich und ich.
Mit einer fahrigen Bewegung streiche ich mir mit den Fingerspitzen übers Gesicht, müde, unwillig, genervt, wütend, zerfetzt und leer..

Schultern straffen, Rücken gerade ziehen, Brüste raus.. Ein kurzer Blick in grüne Augen im Spiegel, ein weiterer in die eisblauen dahinter, ein unsichtbares Nicken – los, los los!

Der schwarze Eyeliner wird über die Lider gezogen mit einer präzisen Bewegung einer ruhigen Hand, deren Zittern bewusst abgeschaltet wird. Die Wimperntusche formt die ohnehin langen Wimpern noch länger, dass sie fast am Lid anstoßen. Tiefschwarz betonen sie die grünen Augen, zieren die gebräunte Haut mit den unzähligen Sommersprossen.. Die Handflächen schieben die Brüste, die in dem tiefen Dekolleté perfekt positioniert sind, zurecht..

Als ich das Haus verlasse, kann der Bruder eines Nachbars die Augen nicht von mir lassen. Er starrt mich Sekunden unverholen an und wendet den Blick erst verlegen ab, als ich mich zu einem schiefen, lasziven, wissenden Lächeln herablasse

– alles richtig gemacht.

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Der nächste Tag..

Mit einer fahrigen Bewegung streiche ich mir mit den Fingerspitzen übers Gesicht, müde, unwillig, genervt, wütend, zerfetzt und leer..

Die Schultern straffen sich nicht, der Rücken gerade ist eine Kunst, scheiß auf die Brüste.. Ein kurzer Blick in grüne Augen im Spiegel, ein weiterer in die eisblauen dahinter, ich fühle mich so unwohl..

Ein tiefes Seufzen, ein Blick auf die viel zu langen, lackierten Fingernägel, die mit diesem lustigen Klimpern auf dem Waschbecken klackern..

Ich runzel die Stirn, ganz tief, in der Erkenntnis, dass ich das alles nicht will..
Die Schere kürzt die Krallen auf ein gesundes Mindestmaß, die Feile tut ihr übriges. Schwarzer Nagellack ersetzt den Glanznailpolishscheiß.. Die Brüste ins Tanktop, der Arsch in eine Jeans, die Füße in meinen roten Chucks..

Ich kann wieder atmen..
Ich bin wieder frei..
Ich bin wieder ich..